Therapiemöglichkeiten bei Kindern – einschneidende Erlebnisse verarbeiten

Therapiemöglichkeiten bei Kindern – einschneidende Erlebnisse verarbeiten

16.03.2015

Nicht nur Erwachsene, auch junge Menschen werden immer wieder Opfer von Gewalttaten oder Katastrophen. Sie müssen sich mit emotionalen Belastungen auseinandersetzen und Erlebnisse verarbeiten, die sie in ihrem Alter womöglich noch gar nicht komplett erfassen können. Sei es der Amoklauf in Erfurt oder der Flugzeugabsturz bei Überlingen – um zwei extreme Beispiele zu nennen – oder schwere seelische Verletzungen durch Gewalt in und außerhalb der Familie, den Verlust von Freunden oder Familienmitgliedern oder auch „nur“ als Zeuge von Gewalt und Katastrophen, keine Situation gleicht der anderen. Gerade deshalb ist das Spektrum an Reaktionen auf jene Ereignisse entsprechend groß. Während einige Kinder vielleicht nur beunruhigt über die Erlebnisse sind und schlimme Erinnerungen daran haben, so leiden andere stärker und entwickeln dauerhafte Störungen.

Zudem kann eine emotionale Reaktion, die sich beispielsweise in Form von Angst, Depression, Wut oder Rückzug ausdrücken kann, sowohl unmittelbar nach dem Ereignis oder auch sehr viel später eintreten. Für Kinder geht dies oftmals mit einem schwindenden Vertrauen in Erwachsene und die Angst, dass dasselbe Ereignis noch einmal passieren könnte einher.

 

Quelle: http://www.unicef.org/publications/index_74865.html - Selbsterstellte Grafik (Piktochart)

 

So reagieren Kinder auf ein Trauma

 

  •     Kinder unter 5 Jahren

Typischerweise reagieren Kinder in diesem Alter auf traumatische Erlebnisse mit einem extremen Anklammerungsbedürfnis, Zittern, Schreien, Wimmern, Erstarrung oder ängstlichem Gesichtsausdruck. Zudem entwickeln sie häufig große Angst davor, von ihren Eltern getrennt zu sein. Mitunter kann auch ein Zurückfallen in frühere Verhaltensmuster beobachtet werden, darunter etwa Daumenlutschen, Bettnässen oder Angst vor der Dunkelheit. Das Verhalten der Eltern, die versuchen sollten möglichst gefasst an eine solche Situation heranzugehen, ist bei dieser Altersgruppe entscheidend, da sich die Kinder stark an deren Reaktion orientieren.

 

Child psychologist with a little girl © alexsokolov - Fotolia.com

 

  •     Kinder zwischen 6 und 11 Jahren

Bei Kindern zwischen 6 und 11 Jahren sind extreme Zurückgezogenheit und das Abbrechen von Kontakten typische Warnsignale, aber auch regressives Verhalten, Albträume, Schlafprobleme, irrationale Angst, Schulverweigerung, Wutausbrüche und sogar Prügeleien kommen häufig vor.  Hinzu kommen gegebenenfalls Magenschmerzen und andere körperliche Beschwerden, für die sich keine medizinische Ursache finden lässt. Die Schulleistungen leiden häufig unter dieser Entwicklung, zudem kann es zu Schuldgefühlen, emotionaler Taubheit, Abflachung der Gefühle und Depressionen kommen.

 

  •     Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren

Jugendliche in diesem Alter zeigen oftmals Reaktionen, die denen eines Erwachsenen bereits sehr ähnlich sind. Darunter fallen Albträume, emotionale Abstumpfung, Flashbacks, Probleme mit Gleichaltrigen oder antisoziales Verhalten. Rückzug und Isolation, das Nachlassen der Schulleistungen oder Schlafstörungen sind ebenfalls häufig zu beobachten. In extremen Fällen kann das tragische Ereignisse auch zu Depressionen, Drogenmissbrauch oder Gedanken an Suizid führen.

Im Einzelfall reagieren Kinder und Jugendliche allerdings stets individuell, sodass einige leichter als andere durch ein Trauma verletzbar sind. Bekannt ist außerdem, dass die Folgen eines traumatischen Geschehens bei jenen Kindern und Jugendlichen am stärksten ausgeprägt sind, die zuvor schon Opfer eines anderen Traumas wurden. Weitere entscheidende Faktoren sind die familiäre Unterstützung und Geborgenheit.

 

Behandlungsarten

1.    Trauerarbeit

Während jedem Erwachsenen klar ist, dass der Tod genauso zum Leben dazugehört wie die Geburt, so ist dieses Empfinden für viele Kinder noch nicht gänzlich greifbar. Wie stark das Trauerempfinden ist, hängt vor allem davon ab, wie eng der Kontakt zu dem Verstorbenen war. Gleichzeitig trauern Kinder auf viele unterschiedliche Weisen, die für Erwachsene manchmal nur schwer nachvollziehbar sind. Gelächter, Weinen, Wut, Schweigen oder Leugnen sind nur einige davon. In jedem Fall benötigen Kinder eine Bezugsperson, um ihre Trauer zu verarbeiten.

 

Abbildung 3: mother and child at graveyard © bramgino - Fotolia.com

 

Diese sollte nicht nur tröstend zur Seite stehen, sondern den Prozess des Sterbens bei Bedarf auch genauer erklären und dem Kind verständlich machen. Die nötige Einfühlsamkeit ist dabei entscheidend, wobei Elemente aus der Natur meist schöne Beispiele bieten, um den Lauf des Lebens für das Kind zu visualisieren. Einige weiterführende Ratschläge hält ein Artikel auf familie-und-tipps.de bereit. Neben den unmittelbaren Verwandten ist es oftmals auch der Tod eines Haustiers, der für Kinder besonders schwer zu verarbeiten ist.

 

"Tiere werden wie Familienmitglieder oder Freunde behandelt. Studien haben mittlerweile belegt, dass Kinder mit Tieren weniger gestresst sind, sich mehr zutrauen und auch leichter auf andere Kinder zugehen können. Stirbt das Tier, ist der Schock deshalb groß. Umso wichtiger ist dann die Reaktion von Mutter und Vater.“ Andrea Beetz, Institut für Sonderpädagogik an der Uni Rostock

Wie in einem Blogbeitrag von ZooRoyal nachzulesen ist, können Kinder den Tod erst ab dem Grundschulalter besser verstehen. Dementsprechend sollten Eltern ihnen auch die Wahrheit sagen, wenn der tierische Begleiter vielleicht über Nacht verstorben ist oder während der Schulzeit eingeschläfert werden musste. Wenn möglich, sollten die Kinder sich aber noch von ihrem Haustier verabschieden können – das funktioniert am besten mit einem Trauerritual, etwa in Form eines Abschiedsbriefs oder durch das gemeinsame Begraben im Garten (dies ist unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, die hier genauer erläutert sind).

Achtung: Ersatztier ist keine Alternative

Viele Eltern neigen dazu, ihrem Kind schnell ein neues Tier zu kaufen, um es wieder glücklich zu machen. So wird die Trauer einfach übergangen, diese ist für Kinder allerdings eine wichtige Erfahrung und lehrt sie, dass einiges einfach unersetzbar ist. Ein neues Tier sollte daher erst auf Wunsch des Kindes nach Hause geholt werden.

 

 2.    Traumatherapien

Während die Trauerarbeit ein natürlicher Prozess ist und voraussichtlich irgendwann in den Alltag übergehen wird, so verhält sich dies bei anderen traumatischen Erfahrungen wie etwa Gewalt und Misshandlungen anders. Vor allem dann, wenn die Reaktionen sehr tiefgreifend oder dauerhaft sind, kommen daher sogenannte Traumatherapien zum Einsatz. Diese finden vor allem in Zusammenhang mit Inobhutnahme und Fremdunterbringung statt, darunter fallen stationäre Kinder- und Jugendhilfe, Pflege- und Adoptivfamilien.

Der erste wichtige Schritt ist dabei die Stabilisierung des Patienten, Kinder und Jugendliche sollten daher in sicherem Rahmen über das Geschehene reden können, soweit sie dies möchten. In vielen Fällen hat sich nach der eigentlichen Therapie auch eine ambulante Nachsorge bewährt. Neben dem Gespräch mit einem Therapeuten werden bei Bedarf weitere ergänzende Methoden eingesetzt. Darunter fallen unter anderen Meditation, Yoga, Qigong, Achtsamkeitstraining, Kunst- und Musiktherapie, körperliche Verfahren wie Massagen, Shiatsu und Craniosacraltherapie oder Medikamente, die entweder beruhigend, angstlösend und antidepressiv wirken.

 

 3.    Besondere Form des Traumas – Posttraumatische Belastungsstörung

Wie bereits im Vorfeld erwähnt, leiden einige Kinder und Jugendliche stärker unter einem traumatischen Ereignis als andere. Länger bestehende Störungen, Depressionen und auch besonders lang anhaltende Trauerphasen können so mitunter auch chronisch werden. In diesem Zusammenhang wird oftmals auch von der posttraumatischen Belastungsstörung gesprochen, kurz PTBS. Sie lässt sich anhand folgender Symptome identifizieren, sofern diese länger als einen Monat bestehen:

  •     Vermeiden von bestimmten Orten oder Situationen, die an das Ereignis erinnern
  •     Schlafstörungen werden stärker. Vermindertes Konzentrationsvermögen, Reizbarkeit, Schreckhaftigkeit und regressives Verhalten bleiben konstant.
  •     Traumaspezifische Albträume und Flashbacks sorgen für ein Wiedererleben des Ereignisses.

 

Quelle: http://www.uniklinik-ulm.de/fileadmin/Kliniken/Kinder_Jugendpsychiatrie/Lehre/Go_PTSDKJPVor2012.pdf - Selbsterstellte Grafik (Piktochart)

 

Die Behandlung einer PTBS verläuft mithilfe spezieller Psychotherapieverfahren, wird gelegentlich aber auch durch Medikamente unterstützt. Gerade die kognitive Verhaltenstherapie hat sich als wirksam erwiesen (Cognitive behavoioural therapy = CBT). Der Patient lernt während der Therapie, wie er die Angst, Depressionen und das störende Verhalten überwinden kann. Weiterhin kommen Gruppen- und Expositionstherapien zum Einsatz, wobei eine angemessene Behandlungszeit für eine PTBS bei etwa 6-12 Wochen liegt.

Die Forschung hat außerdem gezeigt, dass die Unterstützung durch Familie und Freunde einen entscheidenden Beitrag zur Genesung darstellen kann. Im Falle einer PTBS kann ein Psychotherapeut mit speziellen Kenntnissen auf dem Gebiet der Psychotraumatologie im Kindes- und Jugendalter am besten helfen. Gleichzeitig gelten die damit verbundenen Vorgänge im Gehirn jedoch als noch verhältnismäßig unerforscht. Gefördert wird die Erforschung beispielsweise stetig durch das National Institut of Mental Health oder das Department of Veterans Affairs.

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