Sozialmedizinische Nachsorge für Frühgeborene und schwer kranke Kinder steht vor dem Aus

Sozialmedizinische Nachsorge für Frühgeborene und schwer kranke Kinder steht vor dem Aus

28.09.2017

Aktuelles: Sozialmedizinische Nachsorge für Frühgeborene und schwer kranke Kinde

Bild: Dr. Andreas Oberle

Krankenkassen zahlen nur 75 Prozent der Kosten: DGSPJ fordert ein Ende der Blockadehaltung und Hilfe von der Politik

In Deutschland steht die Sozialmedizinische Nachsorge (SN) von Frühgeborenen und schwer sowie chronisch kranken Kindern und Jugendlichen vor dem Aus. Diese therapeutischen Maßnahmen im Anschluss an eine Krankenhausbehandlung oder REHA-Aufenthalt sind zwar seit 2009 als Regelleistung der Gesetzlichen Krankenkassen im SGB V aufgenommen – doch die Krankenkassen bezahlen nur 75 Prozent der tatsächlichen Kosten an die Nachsorge-Einrichtungen.

Dadurch droht vielen Leistungserbringern die Insolvenz, obwohl 2017 mit rund 9.000 geschätzten Patienten ein Rekordjahr wird. „Das ist ein Skandal! Die Krankenkassen müssen endlich ihren gesetzlichen Auftrag erfüllen. Kleine kranke Patienten und ihre Familien sind ohnehin belastet und brauchen dringend diese Unterstützung an der Schnittstelle von stationärer und ambulanter Betreuung“, erklärt Dr. Andreas Oberle, zweiter Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin (DGSPJ) und Ärztlicher Direktor des Sozialpädiatrischen Zentrums am Olgahospital, Klinikum Stuttgart. Der Kinder- und Jugendarzt fordert die Politik zum entschiedenen Handeln auf, damit die jahrelange Blockadehaltung der Krankenkassen beendet wird.

Die Sozialmedizinische Nachsorge als Case Management Leistung sichert mit der Organisation der Weiterbetreuung nach einem Klinikaufenthalt den Übergang zu ambulanter und häuslicher Behandlung und die Koordination der vielfältigen Hilfen. Diese Brücke zwischen der intensiven medizinischen Versorgung in einer Kinder- und Jugendklinik zur anspruchsvollen Pflege und Betreuung im häuslichen Umfeld stärkt die Kompetenzen der Familie und dient der langfristigen Sicherung der Lebensqualität – ein erneuter Klinikaufenthalt des Kindes kann dadurch häufig vermieden werden.

„Damit ist die SN ein wichtiger Baustein in der sektorenübergreifenden Versorgung, vor allem mit wachsender Bedeutung bei Früh- und Risikogeborenen und Kindern mit schweren chronischen Erkrankungen Trotz der nachgewiesenen Wirtschaftlichkeit und der Reduzierung von Gesundheitskosten, die den GKV sehr wohl bekannt sind, wird die volle Vergütung verweigert“, erklärt DGSPJ-Vizepräsident Dr. Andreas Oberle.

Mit ihrem Vorstoß unterstützt die Fachgesellschaft die Forderungen des Bundesverbandes Bunter Kreis. Er vertritt über 90 Nachsorge-Einrichtungen, die rund 70 Prozent der SN in Deutschland sicherstellen. Effektivität und Wirkung des Nachsorge-Modells Bunter Kreis sind in Studien und Evaluationen sichergestellt.

Im Bundesdurchschnitt werden 105 Euro pro Nachsorge-Einheit benötigt – die Krankenkassen zahlen im Schnitt aber nur 73,50 Euro. Bei 17 Nachsorge-Einheiten pro Maßnahme muss der Leistungserbringer 535,50 Euro pro Patient durch Spenden finanzieren, um kostendeckend bei hoher Qualität zu arbeiten. „Damit fehlen deutschlandweit in diesem Jahr 4,8 Millionen Euro. Aufgabe der Leistungserbringer ist es aber nicht, auf Spendentour zu gehen. Auch die Querfinanzierung über Klinikbudgets und Fördergelder ist keine Dauerlösung. An vielen Standorten drohen deshalb Schließungen“, betont Kinder- und Jugendarzt Dr. Andreas Oberle. Davon seien besonders Eltern in ländlichen Regionen betroffen. Die seit Jahren geplante flächendeckende Versorgung sei damit gescheitert.

Besonders prekär ist zudem die Lage in Berlin mit Brandenburg, wo die Leistungserbringer vor dem wirtschaftlichen Aus stehen. „Der Status der dort ansässigen Perinatal-Zentren ist gefährdet“, so der Vize-Präsident. „Deshalb kann es jetzt nur einen Weg geben: Die Krankenkassen müssen endlich die Vergütungssätze anpassen, an den Verhandlungstisch zurückkehren und dieser Regelleistung eine sichere Perspektive in Deutschland geben!“

Die Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin e.V. (DGSPJ) wurde 1966 als Nachfolgerin der seit 1953 bestehenden Deutschen Vereinigung für die Gesundheitsfürsorge des Kindesalters gegründet. Aktuell hat sie etwa 2000 Mitglieder. Die DGSPJ initiiert und fördert gesundheitliche Präventionsprogramme für Familien, Kinder und Jugendliche zur Verbesserung der gesundheitlichen und sozialen Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen und ihren Familien.

Sie tritt ein für die Stärkung und Unterstützung von Kindern und Jugendlichen und ihren Familien bei sozialer Benachteiligung, chronischer Erkrankung, Behinderung, Entwicklungsstörung oder besonderen Bedürfnissen. Als wissenschaftliche Fachgesellschaft fördert sie die Forschung, Lehre, Fort- und Weiterbildung in ihrem Bereich und regt Initiativen zur Verbesserung der interdisziplinären Vernetzung im Gesundheitswesen und zwischen den verschiedenen Gesundheitswissenschaften an.

Sie veranlasst den qualitätsgesicherten Auf- und Ausbau der Sozialpädiatrischen Zentren (aktuell 153 in Deutschland), des öffentlichen Kinder- und Jugendgesundheitsdienstes und der Rehabilitationskliniken für Kinder und Jugendliche. Die Arbeit der DGSPJ basiert auf der Anerkennung der Rechte des Kindes entsprechend der UN-Kinderrechtskonvention.

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